27.01.2020: Anuncion

Der Tag beginnt ruhig, ich erledige noch einiges bei geöffnetem Hotelzimmerfenster am PC. Das lautstarke Treiben der gestern so ruhigen Innenstadt ist schön anzusehen. Immer wieder sind deutsche Einflüsse zu erkennen. Südamerikanisch lautstark wird auf den Straßen Musik gespielt, da darf auch mal „drah di net um, der Komissar geht um“ gespielt.
Mittags drehe ich eine Runde durch die glühend heiße Stadt. An einem Werktag ist die Stadt wesentlich belebter, jedoch immer noch ruhig im Vergleich zu anderen südamerikanischen Städten. Ich kehre in das „Bolsi“ ein, ein traditionelles Restaurant in dem zur Mittagszeit kaum ein Platz zu bekommen ist. Nun ist es schon Zeit, den bestellten Tourguide zu treffen.
Marco spricht Englisch und kostet dadurch gleich 10 $ mehr. Zu meiner Freude schwenkt er gleich auf ein passables Deutsch um, als er erfährt woher ich komme. Er hat mal in der DDR gelebt. Mit einem Fahrer kreuzen wir durch die Altstadt. Er erläutert, dass das Geschäftsleben im Wesentlichen um die zwei Straßen „Palma“ und „Estrelle“ geführt wird. Große Parks lockern das Stadtbild auf. Er schildert die bewegte Vergangenheit des Landes.
Im Gegensatz zu anderen südamerikanischen Ländern haben sich die spanischen Eroberer von Beginn an mit den Einheimischen gemischt. Der Volksstamm der Guaranes konnte seine Sprache einfließen lassen, die heute nach Spanisch als offizielle Landessprache immer noch große Bedeutung hat. Sogar die Währung wurde nach ihnen benannt.
Im 19. Jahrhundert gab es einen erbitterten Vernichtungskrieg, da sowohl Brasilien als auch Argentinien sich das Pufferland einverleiben wollten. Paraguay konnte sich trotz der übermächtigen Nachbarn verteidigen. Der hohe Preis war, dass ein Großteil der männlichen Erwachsenen Kriegsopfer wurden. Paraguay handelte pragmatisch und wurde zum Einwanderungsland. Menschen aus 42 Nationen siedelten nach und nach in dem kleinen Land an. Teils aus religiösen, teils aus wirtschaftlichen oder auch aus politischen Gründen. Nicht gerne gesehen waren farbige Menschen, aus einem einfachen Grund: die Brasilianer schickten ihre afrikanischen Sklaven als Soldaten in den Krieg. Die anschließende Freiheit wurde ihnen versprochen. So galt lange Zeit: ein dunkelhäutiger Mensch ist ein Feind.
Wir besuchen das Heldendenkmal, was ursprünglich als Kirche konzipiert war. Der imposante Bau steht an einem der wichtigsten Plätze in der Stadt, am „Uruguay- Platz“.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Paraguay zu einem wichtigen Handelsort zwischen den immer noch mit Unruhen kämpfenden Nachbarländern. Dies sorgte für einen enormen Reichtum. Nahezu alle großen und schönen Gebäude stammen aus dieser Zeit.
Die Rundfahrt führt uns weiter zum Hafen, an dem Kriegsdenkmäler zu sehen sind. Ich staune, dass sich Paraguay, obwohl es nur ein paar Flüsse hat, sich eine Marine leistet.
Das Parlament tagt in einem hübschen historischen Gebäude und kann als Wahrzeichen der Stadt gesehen werden. In der Nähe finden wir die Kathedrale, Universitätsgebäude und ein Palastgebäude, welches nie seine Funktion erlangt hat und heute als Museum dient.
Wir besuchen das historische Museum in der Nähe. In frühen Zeiten wurden Kriegsgefangene, die als mutige Krieger gesehen wurden, gerne auch mal gegessen, um ein Teil der Stärke in sich aufzunehmen.
Nun fahren wir 10 Kilometer weiter, in das neue Asuncion. Die Stadt hat sich mit Hochhäusern, Malls, schicken Apartmenthochhäusern, internationalen Schulen (Goethe Schule) etc. neu erfunden. Hier kann man ein schickes Großstadtleben führen, jedoch ist eine paraguayische Individualität auf den ersten Blick nicht auszumachen. Es gibt noch einen weitern Stadtteil mit Hochhäusern, der als Büroviertel weiter wenige Kilometer abseits errichtet ist. Leider komme ich in dem wuseligen Feierabendverkehr kaum zum Fotografieren, aber ich kann versichern, dass ich die Bilder auch mit welchen aus Buenos Aires, Santiago oder sonst einer Großstadt tauschen könnte.
Zurück in der Altstadt ist die Tor zu Ende, Marco hätte sicher noch viel zu erzählen gehabt.
Den Abend verbringe ich in einer holländischen Bierbar Namens „Bavaria“. Es gibt Bitterballen. Ich bin froh, an einem Montag überhaupt etwas passables zu finden. Am Hotel angekommen hat sich ein „Cocktail To Go“ mit lautstarker Musik gleich unter meinem Zimmerfenster eingerichtet. So bestelle ich noch einen Caipirinha. Da war mir noch nicht klar, dass der im 0,5 Liter Becher ausgeschenkt wird. Eine echte Betäubungsdosis, aber lecker. Von der lauten Musik habe ich danach nicht mehr viel mitbekommen.


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