21.08.2017 Vom Meer in den Urwald

Von Nord nach Süd

 

Wir verlassen unser „kubanisches Versailles“ und stoppen in der nahen Provinzhauptstadt Holguin. Ein Werkstattbesuch ist angesagt. Die Verträge mit Havannacar, der kubanischen Mietwagengesellschaft, haben mysteriöse Klauseln. Ist während einer Mietperiode der Kilometerstand für eine Inspektion erreicht, so ist diese durch den Mieter durchzuführen. Ansonsten ist eine saftige Strafe fällig. So fahren wir zur staatlichen Werkstatt in Holguin und übergeben unseren „BYD“ einem Genossen. Tatsächlich bekommen wir das Fahrzeug nach einer Stunde wieder und die Inspektion wird quittiert. Das hatten wir uns schlimmer vorgestellt. Allerdings blieben die mühsam zusammen gesuchten Vokabeln für „der Keilriemen rutscht“ unbeachtet. Nun quietscht es halt.

Durch flaches Land geht die Fahrt südlich vorbei an Palmen- und Zuckerrohrplantagen nach Bayamo. Diese Stadt mit 166.000 Einwohnern ist die Provinzhauptstadt der Provinz Granma. Die Stadt ist älter als Havanna und Santiago. Laut „Lonely Planet“ trägt sie den Beinamen „Stadt der Pferdekutschen, angeblich sollen sich 40% der Bayameses mit dem Pferd fortbewegen. Es hat sich wohl etwas verändert seit der letzten Überarbeitung des Reiseführers: in keiner Stadt auf Kuba haben wir weniger Pferde und Kutschen gesehen als in Bayamo. Auf dem zentralen Platz „Parque Cespendes“ finden wir weder die beschriebenen großen Schatten spendenden Bäume noch die den Platz säumende Mischung aus diversen Denkmälern. Nur die angekündigten Schachspieler, ein beliebtes Brettspiel in der Stadt, und die skulpturenreiche Fußgängerzone treffen wir an. Der Platz wird von schön restaurierten Kolonialbauten eingerahmt. Eine heute ruhige und geschichtsträchtige Stadt: von hier aus begann 1868 die Befreiung der Kolonie vom spanischen Mutterland. Das hat im ersten Anlauf nicht so toll geklappt. Als die mächtigen spanischen Truppen die Stadt zurück eroberten, zündete die Bevölkerung ihre eigene Stadt an, um sie nicht erneut den Spaniern in die Hände fallen zu lassen. Daher stehen nur noch wenige der prächtigen Kolonialbauten. 2006 hielt Fidel Castro seine letzte große öffentliche Rede zum „Triumph der Revolution“ in der Stadt.

Weiter geht die Reise in die Provinz Santiago de Cuba. Wir fahren in die Bergregion El Salton, begleitet durch eine Gewitterfront. Stattliche Blitze bestimmen die Sicht am Horizont, wir hoffen einem Unwetter ausweichen zu können. Eine unglaublich schlechte Straße sorgt für Einsamkeit auf dem Weg. Ziel ist das „Hotel Horizontales el Salton“. Drei Zimmerblöcke, die sich wie Baumhäuser im dichten Blattwerk verstecken, lassen das Gefühl vom Wohnen im Urwald aufkommen. Ein einsetzender tropischer Regen reduziert die Schwüle ein wenig. So machten wir es uns auf der überdachten Terrasse gemütlich. Der im „Lonely Planet“ beschriebene „sprudelnd dahinfließende Bergfluss“ ist versiegt. Auch auf Kuba regnet es in letzter Zeit zu wenig.

Gestern hatten wir noch angesprochen, dass wir in diesem warmen Klima keine Kakerlaken gesehen haben. Heue zeigen sich gleich zwei, eine in der Autowerkstatt und eine im El Salton, in unserem Zimmer. Beide haben eine solch stattliche Größe, die uns bisher unbekannt war.

Die Anlage ist toll. Das Essen ist landestypisch. Schnell erkennen wir, dass nur drei der 22 Zimmer belegt sind. Das gibt dem Ganzen eine besondere Atmosphäre. Heute fällt es uns besonders auf: die Kubaner im Gastronomiegewerbe sind Sprachgenies. In dem großartigen Hotel in Gibara konnten wir es nachvollziehen, jedoch in dem kleinen Resort hier sind wir überrascht. Die „Nachtschicht“ spricht uns auf Deutsch an und hat gerade ein Lehrbuch für de niederländische Sprache vor sich. Er reserviert uns ein Zimmer in Santiago und wechselt je nach Situation zwischen Spanisch, Englisch und Deutsch. Dabei ist er völlig entspannt und macht auch noch Witze in der jeweiligen Sprache. Gleiches führt der Kellner beim Abendessen fort. „Deutsch habe ich durch die Gäste gelernt“ ist seine Antwort. Puh!

Den Abend verbringt Rainer auf der Zimmerterrasse bei tropischen Temperaturen und entspannendem Regen. Cuba Libre und die fremden Urwaldgeräusche sind unbeschreiblich.

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